Traueransprache von Pfarrer Stefan Mühl

Mittwoch, 06.12. 2017

Mit freundlicher Genehmigung von Pfarrer Stefan Mühl:

Lesungstext: Kohelet 3, 1 – 7

Alles hat seine Stunde. Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit:

2 eine Zeit zum Gebären und eine Zeit zum Sterben, eine Zeit zum Pflanzen und eine Zeit zum Abernten der Pflanzen, 3 … eine Zeit zum Niederreißen und eine Zeit zum Bauen,

4 eine Zeit zum Weinen und eine Zeit zum Lachen, eine Zeit für die Klage und eine Zeit für den Tanz;

5 … eine Zeit zum Umarmen und eine Zeit, die Umarmung zu lösen,

6 eine Zeit zum Suchen und eine Zeit zum Verlieren, …

7 … eine Zeit zum Schweigen und eine Zeit zum Reden.

Ansprache

Liebe Vanessa, liebe Frau Balzarin, lieber Herr Balzarin, liebe Angehörige, Freunde und Bekannte des Verstorbenen, liebe Trauergemeinde,

alles hat seine Zeit, so haben wir eben gehört. Eine Zeit zum Leben und eine Zeit zum Sterben.

Die Lebenszeit unseres lieben Verstorbenen, Herrn Stefano Balzarin, war, so müssen wir sagen, viel zu kurz bemessen. 50 Jahre alt durfte er nur werden. Das ist so schwer zu verstehen, zu akzeptieren…

Und doch scheint mir, dass in dieser Zeitspanne von 50 Jahren so viel an Leben drinsteckt, dass diese Lebenszeit angefüllt ist mit Leben, er so viel erlebt und gemacht hat wie mancher, der 80 wird, nicht.

Stefan Balzarin war in vielem, was er tat, extrem. Er ging an seine Grenzen, an sein Limit. Das gilt für alle Bereiche seines Lebens. Ob das jetzt der Sport war, das Laufen, der Triathlon, das Schießen im Schützenverein, ob es das Motorradfahren war, sein Leben im Freundeskreis – immer extrem, immer intensiv, immer Leben pur.

Ob es sein Einsatz für andere war, seine Großzügigkeit und Freigiebigkeit, aber auch sein Temperament, das manchmal zu Hitzigkeit neigte – immer am Limit.

Aber das gilt auch in seinem Dasein für andere, als Sohn, der seiner Mutter immer Rosen mitbrachte, der jeden Tag angerufen und sie oft abgeholt hat, der der Kümmerer war in der Familie, der zuverlässig und hilfsbereit war.

Als Vater, der um seine Tochter gekämpft hat, der viel für sie und mit ihr gemacht hat, schöne Stunden, im Wohnmobil unterwegs, beim Schwimmen und Schlittschuhlaufen, beim Klettern auf Burgen oder als bester PokemonGo-Spieler der Stadt…

Als großer starker Bruder, der mit seinem Bruder durch dick und dünn gegangen ist und ihm geholfen hat auf dem Weg ins Leben.

Als Wirt des Pinocchio, der eine offene Tür und ein offenes Herz hatte, der zu feiern wusste und mit dem andere gerne gefeiert haben, aber auch diskutiert und verrückte Dinge unternommen…

Aber auch als einer, der ein weiches Herz hatte, der sich für andere einsetzen konnte, für den Freundschaft nicht nur ein leeres Wort war – ergreifende Berichte auf der Homepage für ihn erzählen davon.

Einige Jahre lang saß er regelmäßig am Sorgentelefon des Kinderschutzbundes – eine wichtige Anlaufstelle im Verborgenen für Kinder und Jugendliche in Nöten. Seine einfühlsame, sensible Art half ihm sicher, die Probleme zu verstehen.

So extrem wie er gelebt hat, so extrem ist er auch gestorben. Wir wissen nicht, wie seine letzten Momente waren, als der furchtbare Unfall geschehen ist. Wir wissen nicht, was in ihm vorgegangen ist, was er noch gedacht hat und warum er nicht mehr bremsen konnte.

Wir können es auch nicht verstehen oder erklären, warum es so geschehen musste. Es bleibt für uns unerklärlich, unbegreiflich, unfassbar.

Alles hat seine Stunde, auch der Tod. Das „Wann“, das „Warum“ bleibt für uns ein Rätsel. Der Tod kommt immer zu früh.

Stefano Balzarin war ein Mensch, in dessen Leben Glaube und Zweifel eine wichtige Rolle gespielt haben. Er ist im christlichen Glauben, in der Kirche groß geworden. Einige Jahre war er Messdiener in St. Ludwig, auch das ganz intensiv.

Aber er hatte auch viele Zweifel in seinem Leben. Er war ein extrem reflektierter Mensch, hat viel nachgedacht, versuchte in endlosen Diskussionen den Dingen auf den Grund zu gehen.

Wie mag es ihm nun gehen, nach seinem viel zu frühen Tod? Von meinem christlichen Glauben her will ich daran glauben, dass er nun am Ziel angekommen ist, dass das, was er als Glauben in seinem Leben erfahren hat, wenn auch immer mit Zweifeln verbunden, sich nun erfüllt, dass er bei Gott sein darf in einem Leben, wo es für immer gut ist!

Ich wünsche dir, liebe Vanessa, Ihnen, liebe Angehörige, dass Sie daran glauben können, darauf vertrauen, und in diesem Vertrauen, bei aller Trauer, Abschied nehmen können.

Ich wünsche Ihnen, dass der Dank für all das, was Stefano Balzarin für Sie war, stärker ist als alle Trauer und aller Schmerz. Und ich wünsche Ihnen und uns allen, dass wir hier an seinem Grab wieder neu bedenken können, wie wichtig es ist, wirklich zu leben. Dass wir begreifen: „Nicht die Jahre, die wir unserem Leben geben, zählen, sondern das Leben, das wir unseren Jahren geben.“

(Pfarrer Stefan Mühl, 06.12. 2017, Frankenthal (Pfalz))

Messdiener, mitter der 80er. (Foto von Pfarrer Bumb)